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De Struise Brouwers

die gretchenfrage

Wenn man in Belgien Urlaub macht, dann liegt es auf der Hand, dass man die ein oder andere Brauerei besuchen sollte. Die Frage, die ich mir bei meinem letzten Aufenthalt in Belgien stellen musste, war also folgende: Welche solls denn sein? Da ich mir vorgenommen hatte, nur eine einzige Brauerei zu besuchen - ich war schließlich nicht alleine unterwegs - wurde daraus eine wahre Gretchenfrage! Soll ich mir eine der tollen Lambiek Brauereien in Lembeek anschauen, oder doch lieber einen Klassiker mit tollem Besucherkonzept, wie z.B. Rodenbach, La Chouffe oder die Brasserie du Bocq? Finde ich ein Trappistenkloster, bei dem ich vielleicht ein paar Blicke hinter die Klostermauern erhaschen kann? Ich lag nachts war: Welche Brauerei soll es sein? Ich durchstöberte meine Fachliteratur und Suchverläufe: Wie spontan kann man eine Besichtigung noch buchen? (Fun Fact: In der Regel nicht besonders spontan, macht es nicht wie ich und plant eure Reisen gefälligst im Voraus!) Aus mir unerklärlichen Gründen, dachte ich erst sehr spät daran, einfach bei meiner Lieblingsbrauerei nachzuhaken: De Struise Brouwers aus Vleteren. Kein Webportal zur Buchung der Besichtigung, kein Timeslot, nur die Angabe einer Telefonnummer und einer E-Mail Adresse: Ein paar Mails und ein sehr nettes Telefonat später stand fest: Ich kann die Brauerei besuchen!

De Struise Brouwers

Eine erste Besondereit der Brauerei ist bereits ihr Standort. In Vleteren gibt es nämlich insgesamt drei Brauereien von hohem Stellenwert. Neben unseren Stuise Brouwers gibt es hier noch die DECA Brauerei, die sich ebenfalls auf die Produktion von Starkbieren fokussiert und das Trappistenkloster Sint Sixtus, wo das legendäre Westvleteren 12 gebraut wird.

Gründer und kreativer Kopf hinter der Brauerei ist Urbain Coutteau. Der gelernte Fotograf war lange Jahre in Afrika beschäftigt, bis er 2001 wieder nach Flandern kam und in Vleteren den Straußenhof De Noordhoek bewirtete. Auf den Straußenhof geht schon der Name zurück, Struise bedeutet im Flämischen nämlich nichts anderes als Strauß. Teil des Hofkonzeptes sollte auch selber gebrautes Bier sein, begonnen mit einem Wit. Erst 2003 kommerzialisierte man dann das Bier und gründete die Brauerei, die im ersten Moment noch eine Gypsie Brauerei gewesen ist. Das erste produzierte Bier war das heute noch sehr beliebte Pannepot. Seit 2012 besitzt die Brauerei nun ihre eigene Brauanlage, die sie in eine alte Nonnenschule in Oostvleteren gebaut hat. Aktuell hat die Brauerei ca. 130 Biere im Angebot, wobei es sich bei vielen um dieselben Grundbiere handelt, die in unterschiedlichen Fässern ausgebaut worden sind.

Den Charme der alten Schule hat man weitgehend versucht zu erhalten, so wurden die klassischen Schulelemente in den Produktionszimmern und Verkostungsräumen einfach stehen gelassen. Tafeln und Schulbänke dienen heute einem neuen Zweck, sind jedoch immer noch in Gebrauch! Besonders beeindruckt hat mich der Umstand, dass die meisten Gerätschaften zum Brauen Marke Eigenbau und/oder second hand sind. Da wird schnell schon mal ein alter Milchtank vom ortsansässigen Landwirt zu einem Maischekessel umfunktioniert. Nachhaltigkeit spielt bei der Brauerei prinzipiell eine wichtige Rolle und es wird in dieser Hinsicht stets optimiert. Die letzten Investitionen bezogen sich auf die Isolierung des Gebäudes und die Nutzung der Produktionsabwärme, wodurch sich die Enerigiekosten praktisch halbiert haben.

Die Außenfassade der Schule hat man 1 zu 1 erhalten, den Außenbereich jedoch überdacht um dort weitere Produktions- und Lagerstätten zu schaffen. Als ich da war, war hier tatsächlich etwas mehr los, weil man sich gerade auf das EurHop vorbereitete, ein internationales Bierfestival in Rom. Spannend: Bis ich hier gewesen bin, wusste ich nicht mal, dass die Brauerei Eisböcke führt und jetzt sehe ich hier doch tatsächlich eine Eisbockmaschine! Selbstverständlich habe ich gleich einen solchen Eisbock probiert und kann nur sagen: Sollte man mal gemacht haben!

Die rösterei

Die Brauerei spezialisiert sich v.a. auf dunkle Starkbiere, in denen oft auch Kaffee zum Einsatz kommt. Hierfür hat man sich den unabhängigen Kaffeeröster Matubu ins Boot, bzw. ins Klassenzimmer geholt. Dieser röstet den in den Bieren benutzten Kaffee frisch und vor Ort! Hier kommt der Brauerei und dem Röster die Nähe zu Antwerpen zugute. Dort gibt es den weltweit größten Kaffeehafen, über den sie stets Kaffeebohnen von hoher Qualität beziehen können. Später stieß ich in Brügge noch zufällig auf den kleinen Laden von Matubu, habe dort eine seiner Röstungen probiert und den Black Albert Blend mitgenommen, der im Royal Stout zum Einsatz kommt!

Die Biere

Nach der Brauereibesichtigung hat sich Tom Coutteau noch etwas Zeit für uns genommen und wir haben ein paar Biere probiert. Ich kenne die Klassiker natürlich, jedoch ist die Vielfalt an Bieren hier so groß, dass ich nur einen kleinen Bruchteil ihrer Biere je probieren konnte. Außerdem sind die Biere in Deutschland relativ schwer zu bekommen. Ich kann mich eigentlich nicht festlegen, was nun das Highlight unter den Bieren gewesen sein soll. Letzlich ist jedes Bier dieser Brauerei ein Highlight! Wir hatten Barley Wines, Eisböcke und Imperial Stouts! Was jedoch immer etwas ganz besonderes ist, ist ein gezwickeltes Bier! Bei uns gabs frisch aus dem Tank ein Cuvée Delphine, eines der Aushängeschilder der Brauerei.

Irgendwann ist jede Brauereibesichtigung vorbei. Es hat super Spaß gemacht und war enorm informativ! Tom, der Sohn der Gründers, der dieses Jahr in den Betrieb eingestiegen ist, hat wirklich eine tolle Führung geboten. Ich würde die Erfahrung wirklich nicht missen wollen und kann jedem nur empfehlen, sich mit der Brauerei auseinanderzusetzen.

Selbstverständlich habe ich noch einige Biere mitgenommen, wovon auf dem Bild eine kleine Auswahl zu sehen ist. Die wenigsten davon werden gleich getrunken. Ich gehe davon aus, dass die meisten 2-4 Jahre im Keller agen dürfen und ich sie in kalten Herbst- und Wintertagen rausholen werde!

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