Bier - Die ersten 13000 Jahre

Die Weltkarriere unseres lieblingsgeträns

"Die Weltkarriere unseres Lieblingsgetränks", so brechen Gunther Hirschfelder und Manuel Trummer den Inhalt ihres Werkes zur Kulturgeschichte des Bieres runter. Tatsächlich ist das Buch bereits 2016, pünktlich zum 500sten Geburtstag des ominösen Reinheitsgebotes auf den Markt gekommen. Dieses erste Werk nannte sich noch "Bier. Eine Geschichte von der Steinzeit bis heute". Bei dem Buch, das ich hier in der Hand halte, handelt es sich um die zweite, überarbeitete Version, die sich nun "Bier. Die ersten 13000 Jahre" nennt. Eine Überarbeitung nach so kurzer Zeit kann auf den ersten Blick zu schnell wirken, jedoch haben die deutsche Bierkultur- und Landschaft in den letzten sechs Jahren enorme Sprünge gemacht und sich stark verändert. Es leuchtet ein, dass auch die Forschung nicht geschlafen und neue Erkenntnisse gewonnen hat, die es sich zu präsentieren lohnt! Ich freue mich schon auf die Lektüre und werde euch das Buch und einige Inhalte davon an dieser Stelle etwas näher bringen. Ihr könnt gespannt sein!

Autoren und Gliederung

Gunther Hirschfelder ist seit 2010 Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Esskultur- und Agrarforschung, aber auch Themen wie Brauch, Ritual und Event sind in seiner Forschung ganz zentral. Manuel Trummer ist Akademischer Oberrat an selbigem Institut. Auch in seiner Forschung bilden u.a. die Themenfelder Agrikultur und Food Studies, besonders im Blickfeld des ländlichen Raumes einen besonderen Schwerpunkt.

 

Gegliedert ist das Buch in zehn Kapitel und dem Versuch einer Bilanz. In jedem Kapitel wird ein zentrales Moment der Kulturgeschichte des Bieres behandelt, wobei wir uns chronologisch von der Steinzeit bis in die Gegenwart arbeiten. Tatsächlich werden auf der Zeitachse von 13000 Jahren die größten Meilensteine der Bierkultur abgehandelt. Von der mesopotamischen Ebene zur Zeit der Sesshaftwerdung über die antiken Weltreiche bis hin zur Indistriellen Revolution - Bier war immer dabei! Welche Rolle unser Lieblingsgetränk jedoch jeweils gespielt hat, das hoffe ich verrät mir das Buch!

4. Das alte ägypten. bier und die ordnung der welt

Kapitel 4 widmet sich dem Bier im alten Ägypten. Diesbezüglich möchte ich gleich am Anfang einen Aspekt hervorheben, der mir besonder positiv aufgefallen ist! Die Autoren schaffen es nämlich, die Heterogenität der Thematik nie aus den Augen zu lassen. Die Geschichte des Alten Ägyptens zieht sich über einen Zeitraum von über 5000 Jahren. Dass es während all dieser Jahre nicht "die ägyptische Bierkultur" gegeben hat, wird immer wieder betont. Bierkonsum und Bierproduktion variierten je nach Zeitstellung und Herrschaftsform, war aber ebenso abhängig von der geographischen Lage. Warum ich das hervorhebe? Ganz einfach, weil es mir in vielen Poblikationen, mit denen ich mich bislang beschäftigt habe, negativ aufgefallen ist. Dabei ist es doch einleuchtend, dass das Ägypten der ersten Dynastie im frühen 3. Jahrtausend ein anderes war als jenes, das Alexander der Große im späten 4. Jahrhundert v. Chr. vorgefunden hat und sich die Bierkultur in Zwischenzeit wohl auch geändert haben dürfte.

Inhaltlich hangelt man sich an den thematisch wichtigsten Quellen der Ägyptologie entlang. So werden Schriftquellen wie z.B. das Papyrus von Ani oder die Bibliotheca Historica von Diodor ebenso behandelt, wie das Modell der Brauerei von Mekrete oder die Reste der Großbrauerei von Abydos. So wie sich die Bierthematik durch praktisch jede Quellangattung zieht, hat Bier auch zu jeder Zeit eine wichtige Rolle im ägyptischen Alltag gespielt. Bier war ein Grundnarungsmittel und wurde von in jeder sozialen Schickt konsumiert. Bierkonsum hatte nach Hirschfelder und Trummer etwas wie einen symbolischen Charakter für Ordnung und Gleichgewicht im religiösen sowie im weltlichen Sinne. Zwar hat das Bier wohl etwas variiert, je nachdem wer der Konsument war, eines steht jedoch fest: getrunken wurde es von jedem. Zum Brauprozess an sich gibt es die unterschiedlichsten Rekonstruktionsversuche: Spontangärung und/oder Brotbier auf Basis von Gerste und Emmer stehen hier im Fokus, wobei es die unterschiedlichsten Verfahren und Zutaten gegeben hat. Dass das Bier nicht nur im Alltag getrunken wurde, sondern auch zu Feierlichkeiten in großen Mengen vertilgt worden ist, zeigen u.a. die aktuellen Ergebnisse der Ausgrabung in Abydos. Den religiösen Charakter des Bieres bekommen wir in der Geschichte des Sonnengottes Re und seiner Tochter Hathor mit, die nur mittels Rotbier zu besänftigen war und so davon ablies, die Menschheit zu vernichten.

5. Nord gegen süd? bier als kultureller indikator der antiken welt

Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Bierkultur während der Antike, also zur Blütezeit des alten Griechenlandes und Roms, ca. vom 8.Jh. v. Chr bis ins 5. Jh. AD. Bei der Erörterung der Frage nach der Bierkultur dieser Zeit sowohl bei den Griechen und Römern als auch bei ihren nördlicher gelgenen Handelspartnern und militärischen Gegenspielern steht stehts der Dualismus zwischen Wein trinkenden Hochkukturen aus dem Mittelmeer und Bier trinkenden Barbaren aus dem nordalpinen Raum im Fokus. Den Autoren zufolge hat dieser Dualismus eben eine Tradition bis in die Antike und ist unter Verweis auf eine Aussage Stefano Salvinis von 2003 in den Köpfen der Morderne immer noch vorhanden.

Auf die Gegensätze zwischen Nord und Süd werde ich gleich eingehen. Zuerst allerdings, muss ich einen Umstand ansprechen, der mich an diesem Kapitel wirklich stört. Es geht um die Verwendung der Begriffe "Ethnie" und "Nation" im Kontext der Kelten. Die Autoren sprechen von unterscheidlichen Ethnien, die unter dem Sammelbegriff "Kelten" zusammengefasst werden. In meinen Augen ist der Begriff "Ethnie" im archäologisch-historischen Kontext wirklich schwierig. Diese Ethnien, von denen die Rede ist, gaben sich ihre Namen (Treverer, Haeduer, Helveten um ein paar prominente Beispiele zu nennen) nicht selbst sondern wurden lediglich von der Römern oder Griechen so betitelt. Wie sie sich selber bezeichneten und ob die Verbände tatsächlich als Ethnie bezeichnet werden können, wissen wir nicht, schließlich waren die Menschen, die wir als Kelten ansprechen, eine schriftlose Kultur. Ich möchte an diesem Punkt noch hinzufügen, dass es auch im archäologischen Kontext immer wieder Funde gibt, die bestimmten keltischen Ethnien oder Stämmen zugeordnet werden. Dass dieses Vorgehen einen methodischen Fehler darstellt, darauf wies in einem anderen Kontext bereits S. Brather hin. Die Verwendung des Begriffes "Ethnie" für Bevölkerungsgruppen, die selber über sich nichts preisgeben und über deren Selbstverständnis man prinzipiell nichts weiß, würde ich in diesem Kontext also als grob fahrlässig einstufen. An anderer Stelle werden die Keltischen Verbände dann noch als Nationen betitelt. Dies ist sogar noch falscher, werden Nationen doch erst im Rahmen der europäischen Nationalstaatsbildungen des 19. Jahrhunderts überhaupt möglich und sind seitdem klar definiert und kathegorisiert. Zur Zeit der Kelten sind es solche politischen Gebilde einfach nicht bekannt. Es mag wie Haarspalterei klingen, mir ist es jedoch ein Anliegen, auf diese Fehler hinzudeuten. Es gibt intensive Forschungsdiskussionen, die seit vielen Jahren hierzu geführt werden. Diese nicht zu beachten und die falschen Begriffe zu benutzen, verleitet den Leser dazu, etwas in vergangene Bevölkerungsgruppen hineinzuinterpretieren, was schlicht und ergreifend nicht da war. So, das wollte ich loswerden, bevor ich mich dem sehr gelungenen Kapitel widme!

Das Kapitel beschäftigt sich maßgeblich mit der Gegenüberstellung von Stereotypen und Realitäten bezüglich des antiken Bierkonsums. Es ist die Rede von Ernährungslandschaften, die praktisch bis heute bestehen und in denen die Menschen unterschiedliche Trink- und Essgewohnheiten an den Tag legen. Diese Ernährungslandschaften sind maßgeblich geprägt von den Lebensmitteln, die dort produziert und konsumiert werden, weshalb es diese Ernährungslandschaften auch in historischen Zeiten gegebe hat. Prinzipiell beschäftigt man sich dem Kapitel mit Geschichtsschreibern und dem Bild, das sie anhand der Trinkgewohnheiten von den Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Kulturkkreise zeichnen. Hierbei ist zu beachten, dass auch Geschichtsschreiber in der Regel eine gewisse politische Agenda verfolgen oder wenigstens in gewissem Maße sozialisiert sind, so dass das Maß an Objektivität eines historischen Textdokuments immer kritisch hinterfragt werden muss (Stichwort Quellenkritik: Tacitus, einer der wichtigsten römischen Historiker zum Thema der Germanen, war sein Leben lang nie selber in den relevanten Provinzen und behauptete, Germanen würden Fellbehangen in Bäumen schlafen).

Im Fokus steht der Gegensatz der Mediterranen Ernährung, maßgeblich geprägt von Oliven, Brot, Wein und der nordalpinen Ernährung, die auf Schweinefleisch, Bier und Butter schwört. Das Bild, das die antiken Autoren anhand der Essgewohnheiten von den Menschen nördlich der Alpen zeichnen, ist das der unzivilisierten Barbaren, die einfache, nur wenig verarbeitete Produkte zu sich nehmen, wohingegen bei den antiken Hochkulturen Getreide zu Brot und Oliven zu Öl verarbeitet werden. Dass dies nicht immer das Bild ist, das die mediterranen Hochkulturen von biertrinkenden Gruppen hatte, wird im weiteren erläutert durch griechische Geschichtsschreiber, die vom Bier der Thraker und Ägypter schreiben, das sowohl einen hohen Stellenwert hatte (auch bei den griechischen Handelspartnern) als auch gut geschmeckt haben soll. Mit der Zeit hat das positiv konnotierte Bier jedoch einen schlechten Ruf bekommen, ebenso wie seine Konsumenten. Weshalb dies geschah, ist nicht genau zu rekonstruieren. (Meine Meinung: Letzten Endes wird es eine Mischung aus religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen gewesen sein, die während der Expansion der mediterranen Hochkulturen dafür gesorgt haben, dass das Biertrinken in Verruf geraten ist und lediglich der Weinkonsum mit positiven Werten in Verbindung gebracht worden ist.) Die Argumentation der antiken Historiker wird im weiteren Verlauf des Buches ausgelegt und diskutiert. Im Anschluss daran, geht es an die Quellenlage zu Bier im nordalpinen Raum der Antike. Hier wird u.a. ein keltisches Prunkgräber hergezeigt, bei denen Macroreste in Gefäßen gefunden worden sind, die als Reste von alkoholischen Getränken interpretiert werden können. Es handelt sich um das berühmte Prunkgrab von Hochdorf. Zwar wurde hier nur Met nachgewiesen, hat man doch nicht weit vom Grab die Reste einer Mälzerei gefunden, aus der man eine Brauerei ableitet. Ich kenne diesen Befund nicht und kann daher keine Expertise abgeben. Bei allzu ausschweifenden Interpretationen bin ich jedoch immer skeptisch. Letztendlich gibt es hier sechs Gruben mit 15cm gekeimtem Korn und haufenweise verkohltes Getreide. Ad hoc kann es sich hierbei auch um die Reste von Getreidesilos handeln (aber auch das ist nur eine haltlose Spekulation, denn die einschlägigen Publikationen habe ich nicht gesichtet) und die Masse an verkohltem Getreide ist dadurch zu erklären, dass sich verkohltes Getreide wesentlich besser erhält als nicht verkohltes Getreide. Am Schluss des Kapitels gehen die Autoren noch auf das Bier im Alltag der Randprovinzen ein, die zwar romanisiert gewesen sind, wo sich aber der lokale Habitus durchaus erhalten hat. Hier wurden nach wie vor auch andere alkoholische Getränke konsumiert als Wein, wie eben auch Met und Bier. Spätere Generationen von Römern würden auch in Bierregionen aufwachsen und sich mit Bier ebenso identifizieren, wie mit Wein.

6. Rückkehr des Archaischen. Bier im frühmittelalterlichen europa

Das sechste Kapitel ist ein verhältnismäßig kurzes, was nicht zuletzt auf die dürftige Quellenlage zurückzuführen ist, die grundlegend fürs Frühmittelalter zur Verfügung steht. Starten tun wir bereits vor dem Frühmittelalter, nämlich in der Spätantike (oder auch Völkerwanderungszeit, pfui!). Dadurch, dass das römische Reich so weit expandierte, war seine Armee durchsetzt von Menschen, deren Gewohnheiten sich von denen der Stadtrömer stark unterschieden. So kam es den Autoren zufolge auf, dass Bier in der römischen Armee immer beliebter wurde. Als das weströmische Reich dann zerviel, hinterlies es vielerorts ein Vakuum an Struktur und Verwaltung, das von ganz diversen Gruppierungen geschlossen wurde. Es entwickelten sich neue Verwaltungsstrukturen und Herrschaftsgebilde. Nach und nach entstand so die Welt des Frühmittelalters. Der Beginn des frühen Mittelalters war wohl geprägt von ungünstgem Klima, was den Weinbau deutlich erschwerte. Getreide hingegen, konnte man weiterhin überall anbauen, was dem Bierkonsum Aufschwung verschaffte. Letztlich gibt es jedoch fast keine themenrelevanten Quellen aus dieser Zeit und es ist davon auszugehen, dass das meiste Bier im privaten Kontext als "Steinbier" gebraut worden ist und dass der Konsum nicht alltäglich gewesen sein kann. Belege für den Bierkonsum gibt es im Laufe des Mittelalters immer wieder aus dem klösterlichen Kontext. Sowohl in England wie auch in Irland gibt es Schriftzeugnisse vom erhöhten und beliebten Bierkonsum in Klostergemeinschaften. Durch diverse Umstände, wie z.B, eine Verbesserung des Klimas, die Entstehung der Königspfalzen und nicht zuletzt die karolingische Renaussaince, wurde das Bierbrauen im Laufe des Frühmittelalters dann weiter begünstigt. Nach wie vor, waren Klöster mit die wichtigsten Orte für die Produktion und den Konsum von Bier. Das ging so weit, dass Bier beim Aachener Konzil von 817 zum "Heiltrank" erhoben und somit von der Fastenregel ausgenommen wurde! Ein besonders gutes Beispiel für den Stellenwert des Bieres im frühmittelalterlichen Kloster, ist der St. Galler Klosterplan. (Meine Meinung: Dieser Klosterplan ist der Idealplan eines mittelalterlichen Klosters und wurde von Mönchen des Klosters Reichenau angefertigt und dem Kloster St. Gallen geschenkt. Auf diesem ist eben auch eine Brauerei abgebildet, was darauf schließen lässt, dass Bier brauen und konsumieren im Kloster durchaus angestrebt war.) An der Wende vom 1. zum 2. Jahrtausend erfreute sich das Bier großer Beliebtheit. Mittlerweile war es nicht nur in der breiten Bevölkerung angekommen, sondern wurde auch von geistlichen und weltlichen Machthabern konsumiert.

Werbetrommelwirbel

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft dafür bedanken, dass sie mir dieses Buch unentgeltlich haben zukommen lassen.

Literaturangabe

G. Hirschfelder; M. Trummer: Bier. Die ersten 13000 Jahre, Darmstadt 2022.

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