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Kursteil fünf und sechs: Die deutschen Bierstile - unter- und obergärig

kursteil 5: Deutsche Bierstile - untergärig

In den vorherigen Sessions beschäftigten wir uns mit der Geschichte des Bieres, mit Sensorik, Rohstoffen sowie Mälz- und Brauprozess. Alles in allem bilden diese Themen den theoretischen Grundstein für den professionellen Umgang mit Bier. Der fünfte Kursteil sollte ein inhaltlicher "Turning Point" werden und einen neuen thematischen Schwerpunkt einleiten: landesspezifische Bierkulturen. Es versteht sich von allein, dass wir mit der deutschen Bierkultur anfingen. 

Zur Beschreibung und Bewertung der verköstigten Biere würden wir ab nun den Verkostungsbogen der Bierakademie benutzen, der in erster Linie auf einem Punktesystem aufbaut, jedoch Raum für persönliche Befindlichkeiten in der B-Note lässt. Um uns dafür zu sensibilisieren, wie tricky die objektive Bewertung eines Bieres nach Stil und internationaler Norm sein kann, verköstigten wir als erstes das Schlenkerla Hell. Für mich ist es ein tolles Helles, das Spaß macht. Die dezente Rauchnote ist natürlich untypisch - eine tolle Diskussionsgrundlage!

Im Folgenden sahen wir uns die unterschiedlichen Lagerbierstile und deren Verbindung zueinander an. Auch die Geschichte dieser doch eher jungen Bierstile wurde erläutert. In diesem Rahmen dürfen Namen wie Carl von Linde und Louis Pasteur nicht fehlen, deren Forschung im Rahmen der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs Deutschlands nach dem Deutsch-Französischen Krieg dazu führte, dass sich untergärige Biere so stark durchsetzen konnten. Es war toll, endlich mal Pläne und Filme der Lindeschen Kältemaschine aus den 1870ern zu sehen, die aus heutiger Betrachtung ein ganz schönes Monstrum gewesen ist.  Dann ging es an die Stile: Erst besprachen wir Helles, wie es 1893 in München gebraut wurde. Anschließend gab es eine spannende Seminararbeit zur Bierstadt Dortmund und wir besprachen passend dazu noch das Export. Um das gelernte praktisch erlebbar zu machen, gönnten wir uns in diesem Rahmen das Export der Brauerei Ott.

Ein weiterer Bierstil durfte natürlich nicht fehlen - das Pils! Was Louis Pasteur und Carl von Linde fürs untergärige Bier sind, das ist Josef Groll fürs Pils - ein Name der praktisch immer im selben Atemzug genannt wird. Zurecht, denn der bis heute weltweil beliebteste Bierstil geht auf eben diesen bayrischen Braumeister zurück. Um uns den Stil bewusst zu machen, verköstigten wir das Bohemian Pilsner der Brauerei Lemke aus Berlin. Bei der Bewertung dieser Bieres ist Obacht geboten, denn obwohl es "Bohemian Pilsner" heißt, ist es rein stilistisch kein böhmisches Pils und soll daher kein wahrnehmbares Diacetyl aufweisen. Der Name ist lediglich ein Wink, dass man ausschließlich mit böhmischen Rostoffen gearbeitet hat und sich so etwas näher ans Original anlehnt. Mir schmeckts!

Gen Ende der Session durften die dunklen Lagervarianten natürlich nicht fehlen. Als dunkles Lager musste das E.T.A von Mahr Bräu herhalten und das Ator 20 von Riegele war unser Anschauungsexemplar in Sachen Dunkler Doppelbock. Gerade das Bier von Mahrs Bräu hat mich richtig aus den Socken gehauen. Ich bin bekanntermaßen ein riesiger Fan von dunklen Bieren aller Art, aber selten hat mir ein klassisches Dunkles ein solch elaboriertes Geschmackserlebnis beschert! Das alles sogar bei nur 5% Vol. Aromatechnisch setzte das Ator 20 noch einen drauf, es handelt sich hier jedoch auch um ein wesentlich stärkeres Bier. Nicht zu vergessen hörten wir zwischendurch noch eine Seminararbeit zu Steinbier.

Zum Abschluss beschäftigten wir uns noch etwas mit ein Schwarzbier und deutschem Porter. Von speziell deutschem Porter als historischen Stil hatte ich bis dahin noch nie gehört und Schwarzbier halte ich ja eh mit für einen highly underrated Bierstil - demnach war der Schluss noch mal genauso sinnvoll wie nötig!

kursteil 6: Deutsche Bierstile - obergärig

Neben der Masse an untergärigen deutschen Stilen, hat Deutschland noch mannigfache obergärige Stile zu bieten. Aus diesem Grund entschied man sich dafür, die deutsche Bierkultur in zwei Blöcken zu bearbeiten. Im vorherigen Kurs bearbeiteten wir die untergärigen Biere, deshalbs würde es es jetzt wild werden! Jedenfalls für die anderen. Ich hatte am Tag drauf ein Bewerbungsgespräch, weshalb ich an diesem Abend dem Genuss alkoholischer Getränke entsagte und die Biere am folgenden Wochenende nachholen würde. (Spoiler: Ich hab die Stelle). Auch ohne die Biere mitzutrinken war die Session sehr angenehm und aufschlussreich, was nicht zuletzt an unserem Gastredner lag: Oliver Lemke.

Wir fingen an mit Weißbier. Wo kommt es her und was sind seine typischen Eigenschaften? Wie auch bei allen anderen Stilen, klärten wir diese Fragen relativ im Detail. Unser Anschauungsmaterial, das Weizen von Lemke ist ein eher untypischer Vertreter dieses Stils, für mich aber auf jeden Fall ein Weizen, das man mal getrunken haben sollte und ebenfalls eines, von dem es gerne auch mal ein paar mehr sein dürfen.

Als nächstes ging es um die Berliner Weisse. Hierfür war O. Lemke genau der richtige Gesprächspartner, denn er ist einer von nur sehr wenigen Brauern, die möglichst authentische Berliner Weisse herstellen. Der Stil hat eine wirklich interessante Geschichte, da lohnt sich die nähere Betrachtung allemal! Während ich an meinem Roiboos-Tee nippte, schwärmte der Rest der Truppe von Lemkes Budike Weisse mit ihrer knackigen Säure und Aromen von Steinobst und Zitrusfrüchten. Als ich das Bier am Wochenende nachholte verstand ich, was alle meinten: Ganz großes Kino!

Weiter ging es mit einer Seminararbeit zum Altbier und der Düsseldorfer Bierkultur. So richtig war ich mir bis dahin nicht bewusst, was ein Alt ist und wie es zu seinem Namen kommt. Hier im Südwesten gibt es ja leider praktisch kein Altbier und welches zu bestellen kommt mir eigentlich nicht in den Sinn, weshalb mir dieser Stil eher fremd ist. Als ich am Wochenende dann jedoch das Os-Alt von Weiherer probiert habe, eröffnete sich mir so etwas wie eine neue Welt! Holla die Waldfee, ist das ein Bier! Es folgte die zweite Seminararbeit, diesmal zum Kölsch und der Kölner Bierkultur (da hat sich doch jemand was bei gedacht!). Auch hier war es wieder richtig spannend, die Eigenart einer bestimmten Region oder Stadt bei der Entstehung ihrer Bierkultur zu ergründen.

Der nächste Stil, den wir uns anschauten, war die Gose. Dass ich hier auf die Verkostung verzichteten musste, war nicht so wild wie bei den Bieren davor, denn Gose trinke ich doch verhältnismäßig oft und kenne den Geschmack relativ gut. Außerdem konnte ich mich schonmal auf ein feines Fläschchen am Wochenende freuen!

Weiter ging es mit dem Kellerbier. Kellerbier? Das ist doch untergärig, Häresie! Aber nein, leider hatten wir in Kursteil 5 keine Zeit mehr für diesen Stil, weshalb er nun an dieser Stelle angehangen wurde. Kellerbier ist auch so ein Stil: Irgendwie ist er allgegenwärtig aber niemand weiß so richtig, was es damit auf sich hat und was eigentlich das Besondere daran ist. Zum Glück sitzt im Kurs dann doch der ein oder fränkische Ureinwohner, weshalb diese Wissenslücken letzt gefüllt sind! Ein paar Tage später konnte ich mir dann anhand des Mahrs U selbst ein Bild von dem Bierstil machen.

Zum Abschluss gab es dann noch zwei Seminararbeiten. Die eine betrachtete die fränkische Bierkultur und die andere handelte von einem Phänomen, das sich "Zoigl" nennt. Mir bis dato gänzlich unbekannt, handelt es sich auch hierbei um eine fränkische Tradition der ganz besonderen Sorte, mit der ich mich ganz sicher näher beschäftigen werde, sobald das Reisen wieder möglich ist. Für die anderen sollte nun die offene Diskussionsrunde mit open End beginnen, die wir jedesmal im Anschluss an den Kurs haben. Ich hingegen trank meinen letzten Tee aus und begab mich in mein Schlafgemach - ich hatte noch einen Termin.

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